PHi-Newsletter 2020 – Oktober
Ausgabe: October 2020 General Liability Deutsch
- Australien – Verschärfte Anforderungen an Prozessfinanzierer
- Australien – Erfolgshonorare für Sammelklagen vor dem Obersten Gerichtshof künftig zulässig
- Deutschland – BGH: 15-Minuten-Takt-Klausel im Rechtsverkehr zwischen Rechtsanwalt und Verbrauchern unwirksam
- Österreich – OGH zu Fehlerarten, Instruktionspflichten und zur Beweislast in Produkthaftungsfällen
- USA – Daimler steht kurz vor Beilegung der Dieselverfahren durch Vergleich
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MWV-Haftpflicht-Seminare 2020
Aktuelle Themen der D&O-Versicherung und weitere Haftpflicht-Seminare im November/Dezember 2020 finden Sie hier.
Euroforum-Haftpflicht-Tagung 2021
Welche erste Zwischenbilanz muss die Industrieversicherungs-Branche im Bereich Haftpflicht und D&O nach der Pandemie ziehen? Was bedeutet die Zusatzbelastung für die zum Teil schon vorher nicht sehr erfolgreiche Sparte? Mit welchen neuen Bedingungswerken, Branchenplayern und Risikoszenarien ist zu rechnen – oder eben nicht mehr zu rechnen? Wie sich die Pandemie bis Januar 2021 entwickelt, können wir nicht vorhersehen. Wir können Ihnen aber versprechen, dass wir anstreben, die Branche zu Beginn des kommenden Jahres wieder persönlich zusammenzuführen und topaktuell alle Herausforderungen zu diskutieren. Nach Stillstand und Abstand werden wir bei der Konferenz und mehreren Abendveranstaltungen das wichtige Networking ermöglichen. Alle Informationen zur Tagung finden Sie hier: www.haftpflicht-konferenz.de
Australien – Verschärfte Anforderungen an Prozessfinanzierer
Nach einem großen Anstieg von Sammelklagen, die in den letzten Jahren von Prozessfinanzierern unterstützt wurden, hat die australische Bundesregierung neue Bestimmungen eingeführt, die Prozessfinanzierungsprogramme als „verwaltete Investitions- und Lizenzprogramme für Finanzdienstleistungen“ i. S. des Corporations Act 2001 (Cth) einstufen.
Das Ergebnis: Seit dem 22. August 2020 müssen Prozessfinanzierer eine australische Finanzdienstleistungslizenz besitzen und jedes Prozessfinanzierungsprogramm als verwaltetes Investitionsprogramm in Übereinstimmung mit verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen registrieren und betreiben. Die Änderungen haben keinen Einfluss auf Prozessfinanzierungsprogramme, die vor diesem Datum vereinbart wurden.
Ein Prozessfinanzierungsprogramm ist eine Vereinbarung, bei der eine Gruppe von Klägern (die Mitglieder einer Sammelklage), eine Anwaltskanzlei und ein Prozessfinanzierer bei einer Sammelklage zusammenwirken. Diese Art von Vereinbarung wird als ein Managed Investment Scheme (MIS) verstanden.
Die neue Regelung bedeutet für Kapitalgeber eine verstärkte regulatorische Kontrolle und für die Australian Securities and Investments Commission (ASIC), die diese verwaltet, eine bedeutendere Rolle auf dem Markt für Prozessfinanzierung. Es wird erwartet, dass die Änderungen die Transparenz bei der Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten verbessert und die Rechenschaftspflicht der in Australien tätigen Kapitalgeber erhöht.
Australien – Erfolgshonorare für Sammelklagen vor dem Obersten Gerichtshof künftig zulässig
Nach der Verabschiedung der Justice Legislation Miscellaneous Amendments Bill 2019 (Vic) am 18. Juni 2020 ist es Anwälten erlaubt, von den Mitgliedern einer vor dem Obersten Gerichtshof von Victoria geführten Sammelklage Erfolgshonorare zu erheben. Damit werden Rechtsdienstleistungen über einen Prozentsatz des durch den Rechtsstreit gewonnenen Betrags, statt über eine zeit- oder kostenbezogene Abrechnung abgerechnet. Bleibt der Anwalt erfolglos, wird keine Gebühr fällig. Zuvor gab es in allen australischen Jurisdiktionen – anders als beispielsweise in den USA – ein generelles Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren. Der Gesetzentwurf tritt in Kraft, sobald er die königliche Zustimmung erhält.
Der Entwurf fügt einen neuen Abschnitt in den Supreme Court Act 1986 (Vic) ein, nach dem ein Hauptkläger (repräsentierende Partei) beim Gericht beantragen kann, die an den Klägervertreter zu zahlenden Anwaltskosten in Form einer Erfolgshonorarsumme auszuzahlen und zwischen dem Kläger und allen Gruppenmitgliedern aufzuteilen (Gruppenkostenanordnung). In der Gruppenkostenanordnung wird auch angegeben, auf welchen Prozentsatz des Prozesserlöses die Anwälte Anspruch haben Für einen entsprechenden Erlass, muss Gruppenkostenanordnung angemessen oder erforderlich sein, um sicherzustellen, dass in dem Verfahren Gerechtigkeit geübt wird. Bleibt die Sammelklage nach Ergehen eines solchen Gruppenkostenbeschlusses erfolglos, ist die Anwaltskanzlei des Klägers verpflichtet, die Verfahrenskosten des Beklagten zu übernehmen.
Mit dem Gesetz hat Victoria einer Untersuchung über die kürzlich von der Bundesregierung eingeleiteten Reformen der Sammelklagen vorgegriffen (Empfehlung der Victorian Law Reform Commission (VLRC) in ihrem Bericht „Access to Justice: Litigation Funding and Group Proceedings“) und möglicherweise Druck auf andere Gerichtsbarkeiten ausgeübt, damit diese nachziehen.
Die Einführung von Erfolgshonoraren soll den Zugang zur Justiz verbessern, indem sie es den klagenden Anwaltskanzleien ermöglicht, mit den Prozessfinanzierern Dritter zu konkurrieren, die i. d. Regel Sammelklagen auf der Grundlage finanzieren, dass sie einen Prozentsatz der in dem Verfahren eingezogenen Beträge erhalten. Die Idee ist, dass dieser Wettbewerb die prozentualen Gebühren der Prozessfinanzierer senken und die Erträge für die Gruppenmitglieder erhöhen soll.
Das neue Gesetz könnte einen zusätzlichen Anreiz für klagende Anwaltskanzleien bieten, Sammelklagen nach Möglichkeit in Victoria statt vor dem Bundesgericht oder in anderen Bundesstaaten einzureichen.
Deutschland – BGH: 15-Minuten-Takt-Klausel im Rechtsverkehr zwischen Rechtsanwalt und Verbrauchern unwirksam
Anlässlich der Revision eines Rechtsanwalts in einem Verfahren gegen seinen vormaligen Mandanten auf Honorarzahlung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Vergütungsvereinbarung eines formularmäßig vereinbarten Anwaltsvertrags untersucht und dabei u. a. erstmalig zur Wirksamkeit einer 15-Minuten-Zeittaktklausel gegenüber Verbrauchern nach §§ 307 ff. BGB Stellung genommen (BGH Urt. v. 13. Februar 2020, Az. IX ZR 140/19).
Neben der 15-Minuten Zeittaktklausel hatte die formularmäßig vereinbarte Vergütungsvereinbarung eine Vergütung in dreifacher Höhe der gesetzlichen Vergütung mit Erhöhung des Gegenstandswerts um eine eventuelle Abfindung enthalten sowie die Vereinbarung eines Sekretariatstätigkeiten-Zeithonorars, nach der statt des tatsächlichen Aufwands pauschal 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit abgerechnet werden konnte.
Die von ihm bisher offen gelassene Frage nach der Wirksamkeit einer 15-Minuten Zeittaktklausel entschied der BGH dahingehend, dass zwar der Betrag des angesetzten Zeithonorars nicht zu beanstanden sei, die davon abtrennbare Abrechnungsart im 15-Minuten-Takt für jede angefangene Viertelstunde Verbraucher aber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteilige.
Entgegen anderer Meinungen weiche eine solche Klausel vom gesetzlichen Leitbild nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ab, da den Interessen des Mandanten nicht mehr ausreichend Rechnung getragen werde. Die Vereinbarung eines Stundenhonorars sei zwar auch in den AGB grundsätzlich möglich, wenn sie unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls sachgerecht erscheine und die geltend gemachte Bearbeitungszeit sowie der ausgehandelte Stundensatz angemessen seien. Die zusätzliche Abrechnung nach mehr oder weniger großen Zeitintervallen führe jedoch bei sehr kurzen oder 15 Minuten nur um wenige Sekunden überschreitenden Tätigkeiten zu einer unverhältnismäßigen Gefährdung der Interessen des Mandanten an einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis, und berge das Risiko einer mehrmals täglichen Anwendung der Klausel zur Abrechnung zulasten einer unbegrenzten Zahl Mandanten. Insbesondere ein Verbrauchermandant sei dabei aber besonders schutzwürdig, sodass das Interesse des Rechtsanwalts auf verhältnismäßige Vergütung auch für kürzere Tätigkeiten zurücktreten müsse. Stattdessen dürfe nur die tatsächlich aufgewandte Arbeitszeit abgerechnet werden.
Auch die Vereinbarung der Vergütung in Höhe des Dreifachen der nach dem erhöhten Gegenstandswert berechneten gesetzlichen Gebühren sei unter Berücksichtigung der Interessen des Verbrauchermandanten unangemessen benachteiligend.
Darüber hinaus habe der Anwalt keinen Anspruch auf die nach der pauschalen Abrechnung von 15 Minuten pro Stunde abgerechneter Anwaltstätigkeit erhobenen Sekretariatstätigkeiten. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 RVG gelte die gesetzliche Vergütung als vereinbart, wenn die Festsetzung der Vergütung dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen wird. Dies sei hier aufgrund des Wortlauts der Vereinbarung, nach der der Anwalt „berechtigt“, aber nicht verpflichtet war, die Tätigkeiten des Sekretariats abzurechnen, der Fall gewesen.
Österreich – OGH zu Fehlerarten, Instruktionspflichten und zur Beweislast in Produkthaftungsfällen
In seinem neusten Urteil zur Produkthaftung ist der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) auf die Fehlerarten nach dem österreichischen Produkthaftungsgesetz (PHG) sowie die Anforderungen an ausreichende Instruktion über das Produkt und die Beweislast im Rahmen der Produkthaftung eingegangen (vgl. OGH, Urt. v. 29. Juni 2020, Az. 8 Ob 35/20k).
Anlass war die Klage eines Mannes, der nach einem Unfall auf einer Stufenstehleiter von deren Hersteller Schmerzensgeld verlangte. Die Leiter war mit mehreren vor dem Auseinanderklappen deutlich sichtbaren, durchnummerierten Piktogrammen auf der Unterseite versehen, die in der beigelegten Benutzerinformation bildlich und sprachlich dargestellt waren und u. a. darauf hinwiesen, Stehleitern nicht zum Aufsteigen auf eine andere Ebene zu benutzen. Gleichwohl stieg der Kläger von einem Baugerüst seitlich auf die oberste Stufe der Leiter, wobei der dabei entstehende Druck die Leiter seitlich wegkippen und den Leiterholm knicken lies, sodass der Kläger zu Boden stürzte. Die Piktogramme und Benutzerinformationen hatte der Kläger zuvor zwar wahrgenommen, aber nicht genauer studiert.
Seine auf das PHG gestützte Klage wurde vom OGH abgewiesen. Nach einer Beschreibung der verschiedenen Produktfehlerarten des PHG – so sei bei Konstruktionsfehlern das Verfehlen der Sicherheitserwartung im technischen Konzept begründet, bei Produktions- bzw. Fabrikationsfehlern entspräche zwar das Konzept und das demgemäß hergestellte „idealtypische Produkt“, mangels normgerecht durchgeführten Produktionsprozesses aber nicht das einzelne Stück den Erwartungen, und bei Instruktionsfehlern mache nur die unzureichende Darlegung des richtigen Umgangs mit dem Produkt das Produkt fehlerhaft – erteilte er den Ausführungen des Klägers zum Vorliegen solcher Produktfehler im konkreten Fall eine Absage.
So läge mit den Piktogrammen auf der Leiter kein Instruktionsfehler durch unzureichende Risikodarlegung vor. Sie vermittelten vielmehr entsprechende Informationen in vereinfachter grafischer Darstellung. Damit bestünden weder durch das Vorbringen des Klägers, die stilisierte Stehleiter im Piktogramm weise kein Podest auf, noch durch den Einwand, dass nicht speziell vor einem seitlichen, sondern vor einem Übersteigen ganz allgemein gewarnt wurde, Zweifel an einer ausreichenden Instruktion. Auch der fehlende explizite Hinweis auf die Gefahr des Einknickens des Leiterholms durch das Übersteigen sei unschädlich. So habe sich mit dem Einknicken durch den durch das Übersteigen ausgeübten seitlichen Druck gerade ein Risiko verwirklicht, vor dem die Warnung schützen sollte. Auch Konstruktions- oder Produktionsfehler seien durch den Kläger nicht nachgewiesen worden. So sei das Einknicken des Holms nach den Feststellungen Folge des (verbotenen) Übersteigens; die mechanischen Werte hätten bei einer nachträglichen technischen Überprüfung der Normvorgabe entsprochen, womit die dadurch indizierte Fehlerfreiheit des Produkts nicht ausreichend bestritten worden sei.
USA – Daimler steht kurz vor Beilegung der Dieselverfahren durch Vergleich
Der Daimler Konzern steht kurz vor der Beilegung der gegen ihn in den USA laufenden Verfahren um angebliche Verstöße gegen Diesel-Abgasregeln. Seit 2016 ist der Konzern wegen angeblich geschönter Messwerte zum Abgasausstoß von Stickoxid im Visier der Justiz. Ihm und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250.000 Dieselfahrzeugen vorgeworfen.
Wie am 14. September 2020 bekannt wurde, legt Daimler nun mit einer Zahlung von mehr als EUR 1,9 Mrd. (rund USD 1,5 Mrd.) mit zwei Vergleichen die Ermittlungsverfahren der US-Behörden und zahlreiche Klagen von US-Autobesitzern bei. Die Kosten hierfür belaufen sich damit in den USA insgesamt auf deutlich mehr als USD 2 Mrd.
Während die Umweltbehörde EPA darin nun eine „klare Botschaft“ eines harten Durchgreifens der US-Regierung bei der Einhaltung von Emissionsstandards an Autohersteller sieht, das Justizministerium nach eigenen Angaben ein zivilrechtliches Bußgeld von USD 875 Mio. verhängte und auch die Klägeranwälte den Kompromiss als Erfolg verbuchen, bei dem betroffene Mercedes-Besitzer je mindestens USD 3.290 an Entschädigung erhalten könnten, bestreitet Daimler die Vorwürfe weiterhin.
Der Autobauer betont, im Vergleich werde nicht festgestellt, ob die in den Fahrzeugen verwendeten Funktionen unzulässige Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung seien, und es sei in den Vergleichsvereinbarungen explizit festgehalten worden, dass das Unternehmen die Vorwürfe der Behörden sowie Ansprüche der Sammelkläger bestreitet und keine irgendwie geartete Haftung einräume. Als Teil der Einigung muss Daimler die Fahrzeuge aber ebenfalls mittels Software-Update nachbessern sowie für weitere Umweltmaßnahmen aufkommen, sodass zu den Vergleichssummen noch Kosten in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe hinzukommen werden.
Die Vergleiche müssen noch gerichtlich genehmigt werden. Zudem beenden sie nur die Zivilverfahren; weitere strafrechtliche Konsequenzen sind möglich.
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