PHi-Newsletter 2020 – Dezember
Ausgabe: December 2020 General Liability Deutsch
- Deutschland – Bundesjustizministerium legt Gesetzentwürfe zur Reform des Rechts der Anwaltschaft vor
- Deutschland – Gesetzentwurf zum Regelbetrieb für autonomes Fahren
- Europa – Rechtsrahmen für Europäische Verbandsklage verabschiedet
- Europa – Europäisches Parlament fordert Haftungsregelung für Schäden durch künstliche Intelligenz
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Deutschland – Bundesjustizministerium legt Gesetzentwürfe zur Reform des Rechts der Anwaltschaft vor
Anfang November 2020 hat das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf vom 29. Oktober 2020 zum „Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ vorgelegt. Damit wird das zersplitterte und teilweise verfassungswidrige anwaltliche Gesellschaftsrecht neu geordnet.
Der Entwurf sieht eine umfassende Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), dem Steuerberatergesetz (StBerG) und der Patentanwaltsordnung (PAO) vor. Ziel der Neuregelung ist es, der Anwaltschaft und den Steuerberater*innen gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern.
Die Reform enthält außerdem einen weiteren Referentenentwurf vom 6. Oktober 2020 mit Ergänzungen im Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, das für Inkassodienstleister/Legal-Tech-Unternehmen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und für die Anwaltschaft einen fairen Wettbewerb auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt ermöglichen soll. Aufgrund der Entwicklungen im Markt für Rechtsdienstleistungen, insbesondere die Zunahme von Verbraucher*innen, die Inkassodienstleister, hier vor allem Legal-Tech-Unternehmen, beauftragen, sollen verbraucherschützende Regelungen im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) geschaffen werden.
Gleichzeitig werden Lockerungen des Verbots des Erfolgshonorars (§ 4a RechtsanwaltsvergütungsG-E) und der Prozessfinanzierung (§ 4 Abs. 2 RechtsanwaltsvergütungsG-E, § 4 Satz 2 RDG-E) geregelt, ohne den Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit, der Mandanten und der prozessualen Waffengleichheit zu gefährden. Mit den beabsichtigten Neuregelungen soll insbesondere der Anwaltschaft die Möglichkeit eröffnet werden, unter den gleichen Bedingungen Rechtsdienstleistungen anzubieten wie registrierten Inkassodienstleistern. Zugleich soll den Rechtsuchenden in bestimmten weiteren Bereichen, in denen dies sachgerecht erscheint, der Zugang zu einer erfolgsabhängig vergüteten Vertretung durch Rechtsanwält*innen erleichtert werden.
Zum Referentenentwurf vom 29. Oktober 2020 sollten die Kammern und Verbände bis zum 7. Dezember 2020 Stellung nehmen. Diese Frist wurde von den Landesjustizministerien als zu knapp bemessen kritisiert. Die geplante Reform soll noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.
Deutschland – Gesetzentwurf zum Regelbetrieb für autonomes Fahren
Als erstes Land weltweit will Deutschland autonome Fahrzeuge nicht mehr nur zu Testzwecken auf bestimmten dafür ausgewiesenen Strecken, sondern im Regelbetrieb auf die Straße bringen. Vorgesehen sind u. a. der Einsatz beim Warenverkehr zwischen Herstellung und Verteilungszentren sowie der Transport von Personen. In einem ersten Schritt in diese Richtung hatte der deutsche Gesetzgeber die am 21. Juni 2017 in Kraft getretene Änderung zum Straßenverkehrsgesetz erlassen, die u. a. die Rechte und Pflichten der Fahrzeugführenden bei der Nutzung automatisierter Fahrsysteme regelt. Nach dieser Novelle dürfen automatisierte Systeme die Fahraufgabe unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen, ein Fahrender ist indessen weiterhin erforderlich. Im nächsten Schritt soll ein neues „Gesetz zum autonomen Fahren in festgelegten Betriebsbereichen“ vorsehen, dass autonome Fahrzeuge in bestimmten Bereichen bundesweit am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Das Gesetz soll bis Mitte 2021 verabschiedet und die Regelungen bis zum Jahr 2022 umgesetzt werden.
Zu den Neuregelungen zählen folgende Sachverhalte: technische Anforderungen an Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen, Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis durch das Kraftfahrt-Bundesamt, Regelung der Pflichten der am Betrieb der autonomen Fahrzeuge beteiligten Personen, Regelung des Umgangs mit den beim Betrieb der Fahrzeuge anfallenden Daten sowie die Anpassung und Schaffung einheitlicher Vorschriften zur Ermöglichung der Erprobung von automatisierten und autonomen Fahrzeugen.
So soll z. B. statt eines im autonomen Fahrzeug anwesenden Fahrenden ein Betriebsführender Fahrmanöver freigeben oder das Fahrzeug deaktivieren können. Dieser Betriebsführende muss eine natürliche Person sein, die den Fahrbetrieb zwar nicht ständig überwachen, aber jederzeit in der Lage sein muss, im Notfall einzugreifen.
§ 18 Straßenverkehrsgesetz soll geändert werden, um den Neuregelungen Rechnung zu tragen. Unberührt bleibt die Produkthaftung des Herstellenden; ferner bleibt es bei der verschuldensunabhängigen Haftung des Fahrzeughaltenden. Diese Haftung erstreckt sich nur in den Fällen auf den Betriebsführenden, wenn dieser Fahrmanöver freigibt oder das Fahrzeug deaktivieren muss.
Die Regelung der Details soll in einer Rechtsverordnung erfolgen. Nach dem derzeitigen Stand sollen z. B. die Halter*innen der autonomen Fahrzeuge alle 90 Tage eine Gesamtprüfung des Fahrzeugs durchführen und das Ergebnis dem Kraftfahrzeug-Bundesamt melden. Ferner muss die Halter*in eine technische Aufsichtsstelle angeben, die auch während der Fahrt für andere Verkehrsteilnehmer ansprechbar ist.
Diese Regelung gilt als Übergangslösung, bis auf internationaler Ebene harmonisierte Vorschriften vorliegen. Ebenso notwendig ist ein EU-Notifizierungsverfahren, also die Prüfung durch die Mitgliedstaaten auf mögliche Konflikte mit EU-Rechtsvorschriften.
Wann mit einem offiziellen, zwischen den beteiligten Ministerien abgestimmten Referentenentwurf gerechnet werden kann, ist gegenwärtig noch unklar. Ziel ist es, das Gesetz bis Mitte 2021 zu beschließen.
Europa – Rechtsrahmen für Europäische Verbandsklage verabschiedet
Am 24. November 2020 hat das Europäische Parlament die Richtlinie zur Einführung der Europäischen Verbandsklage angenommen. Den entsprechenden Entwurf über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG hatte die Europäische Kommission im Rahmen ihres New Deal for Consumers bereits vor mehr als zwei Jahren vorgelegt. Deutschland hatte sich seinerzeit bei der Abstimmung im Europäischen Rat enthalten.
Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten bei zentralen Fragen der Ausgestaltung der neuen Verbandsklage einen Gestaltungsspielraum ein, der es ermöglicht, nationale Rechtstraditionen angemessen zu berücksichtigen. Die Richtlinie setzt den Mitgliedstaaten damit einen verbindlichen Rahmen für Verbandsklagen und schreibt nicht im Detail vor, wie diese europaweit auszugestalten sind. Damit ist auch Deutschland gehalten, innerhalb der nächsten zwei Jahre, d. h. bis spätestens Ende 2022, eine Verbandsklage, die auf Leistung gerichtet ist, einzuführen. Diese wird weiter reichen müssen als die erst im November 2018 eingeführte Musterfeststellungsklage (§ 606 ZPO). Die Diskussion über den kollektiven Rechtsschutz in Deutschland dürfte dadurch in den nächsten zwei Jahren insgesamt neu belebt werden. Die Schwerpunkte der künftigen Diskussion im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren ergeben sich aus dem ausführlichen Überblick von Schläfke/Lühmann in PHi 2020, 164 ff.
Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft (Art. 25 RL). Die Mitgliedstaaten haben anschließend 24 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, und weitere sechs Monate, um sie anzuwenden (Art. 24 RL). Es ist daher damit zu rechnen, dass die Verbandsklage in Deutschland spätestens Ende 2022 eingeführt und spätestens Mitte 2023 in Kraft treten wird.
(mitgeteilt von Rechtsanwälten Dr. Henner Schläfke und Dr. Tobias Lühmann, Noerr LLP, Berlin)
Europa – Europäisches Parlament fordert Haftungsregelung für Schäden durch künstliche Intelligenz
Das EU-Parlament gab kürzlich Empfehlungen zu einer Regelung der zivilrechtlichen Haftung für künstliche Intelligenz (KI) ab. Ziel dieser Initiative ist es, Innovationen, Ethiknormen und das Vertrauen in die Technik zu fördern. Die potenziellen Auswirkungen auf einzelne Personen, die Gesellschaft und die Wirtschaft sollen bestmöglich reguliert werden.
Die künftigen Rechtsvorschriften sollen die ethischen und haftungsrechtlichen Grundsätze festlegen, die für die Entwicklung und Nutzung von KI und ähnlichen technischen Lösungen gelten sollen. Dies soll zum einen gewährleisten, dass die Betreiber von KI-Systemen für die verursachten Schäden haften, zum anderen das Vertrauen der Bürger*innen in diese Anwendungen steigern.
Die Vorschriften sollen für KI-Anwendungen gelten, die Schäden an Leib, Leben und Gesundheit sowie am Eigentum oder aber immaterielle Schäden verursachen, die wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen.
Obwohl hochgradig risikobehaftete KI-Technologien noch selten sind, ist das EU-Parlament der Meinung, dass ihre Betreiber*innen verpflichtet sein sollten, Versicherungen nach dem Vorbild der für Kraftfahrzeuge vorgeschriebenen Versicherungen abzuschließen.
Ferner soll das geistige Eigentum der Entwickler*innen geschützt werden, wobei betont wird, dass hier auf Menschen Bezug genommen wird, d. h. Entwickler*innen, die mithilfe von KI neue Anwendungen schaffen, sind geschützt, jedoch nicht Anwendungen, die durch KI selbstständig erzeugt werden.
Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wird für Anfang 2021 erwartet.
Rechtlicher Hinweis
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