Europa – Die Ökodesign-Verordnung kommt
Am 13. Juni 2024 wurde die neue Ökodesign-Verordnung (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG) verabschiedet. Die hauptsächlich für „physische Waren“ geltende Rahmenverordnung installiert insbesondere Wegwerfverbote und einen neuen digitalen Produktpass. Damit sollen Unternehmen künftig verpflichtet werden, Produkte nachhaltiger zu gestalten.
Das neben der allgemeinen Pflicht, die Vernichtung von Waren vernünftigerweise zu vermeiden, aufgenommene Verbot der Vernichtung von unverkauften Konsumgütern gilt für Kleidung, Kleidungszubehör und Schuhe, welche anhand ihrer Warentarifnummern im Anhang VII der ESPR aufgeführt werden. Es betrifft große Unternehmen zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung, somit ab 2026, und mittlere Unternehmen nach sechs Jahren, mithin ab 2028.
Zudem wird ein digitaler Produktpass Pflicht für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten. Der Pass soll Bedienungsanleitungen, allgemeine Produktinformationen und die in der Ökodesign-Verordnung festgelegten Informationsanforderungen zu den Produkten sowie Informationen zur Zugänglichkeit von Daten, deren Layout und zu etwaigen Aktualisierungen der Daten und zu Produktupdates enthalten.
Die Verordnung tritt zwanzig Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der europäischen Union in Kraft.
Europa – Neues Recht auf Reparatur angenommen
Am 30. Mai 2024 hat nach dem EU‑Parlament nun auch der Rat der EU eine Richtlinie zur Förderung der Reparatur von Waren angenommen. Damit werden Hersteller, z. T. aber auch Importeure und Händler bestimmter Waren verpflichtet, auch nach Ablauf der Gewährleistung Reparaturen anzubieten, damit sie für Verbraucher leichter zugänglich, transparenter und attraktiver werden.
Für Verbraucher wird dafür ein neues Recht auf Reparatur installiert, wofür u. a. auch die Warenkauf-Richtlinie geändert wird. Wählt der Käufer im Fall eines Mangels statt des Austauschs des Produkts dessen Reparatur, verlängert sich die gesetzliche Haftung des Verkäufers um zwölf Monate. So soll der Verbraucher bewogen werden, die Nachbesserung einer Ersatzlieferung vorzuziehen.
Weitere Änderungen gab es auch insoweit, als Hersteller Reparaturen künftig nur ablehnen können, wenn sie für sie unmöglich sind, nicht aber mit der Begründung, dass bereits Dritte Reparaturarbeiten an der Ware vorgenommen hätten oder die Beschaffung der Ersatzteile mit erheblichen Kosten verbunden sei. Außerdem wird es den Herstellern untersagt, Reparaturen vertraglich, technisch oder durch Softwareeinstellungen zu erschweren. Zudem wird eine Online-Reparaturplattform geschaffen, über die der Endkunde Reparaturbetriebe finden kann.
Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU müssen die Mitgliedstaaten sie innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umsetzen. Das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat einen Entwurf für ein deutsches Reparaturgesetz noch für das Jahr 2024 angekündigt.
Europa/Deutschland – Maßnahmen gegen Greenwashing
Mit der Verabschiedung seines Standpunkts („allgemeine Ausrichtung“) durch den EU‑Umweltministerrat hat die Richtlinie über umweltfreundlichere Werbeaussagen (Green Claims Directive) am 17. Juni 2024 einen weiteren Schritt in Richtung Verabschiedung gemacht. Somit gibt es nun eine Grundlage zur Verhandlung über die Inhalte mit dem Europäischen Parlament im Herbst.
Die Richtlinie stellt Mindestanforderungen zu Begründung, Kommunikation und Überprüfung von Umweltaussagen und ‑zeichen auf, um den zunehmenden Trend zu „Greenwashing“, also das Beschönigen von Werbeaussagen mit nachhaltigkeitsbezogenen Aussagen, Siegeln oder Umweltzeichen zu bekämpfen. So müssen die Aussagen künftig u. a. evidenzbasierte Informationen über die Umwelteigenschaften von Produkten beinhalten und vor Veröffentlichung von unabhängigen Experten überprüft werden. Eine endgültige Verabschiedung wird im sog. Trilog-Verfahren in einigen Monaten erwartet, wobei es zu inhaltlichen Änderungen kommen kann.
In diesen Zusammenhang fällt ein aktuelles Urteil aus Deutschland: Der BGH hat am 27. Juni 2024 am Fall „Katjes“ entschieden, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen mit dem Attribut „klimaneutral“ werben dürfen (Urt. v. 27. Juni 2024, Az. I ZR 98/23). Nach dem nun ergangenen Urteil muss bereits in der Werbung selbst erläutert werden, auf was sich der mehrdeutige Begriff „klimaneutral“ genau bezieht – auf eine Reduktion von CO₂ im Produktionsprozess oder auf eine bloße, nicht als gleichwertig angesehene Kompensation von CO₂. Im konkreten Fall verlief der eigentliche Herstellungsprozess der Produkte nicht CO₂‑neutral. Stattdessen unterstützte der Hersteller über ein anderes Unternehmen lediglich sog. Klimaschutzprojekte, mit denen CO₂-Emissionen kompensiert werden. Der BGH sah daher in der Werbeaussage eine besonders große Irreführungsgefahr mit großer Bedeutung für die Kaufentscheidung der Konsumenten.
USA – Anzahl extrem hoher Urteile nimmt zu
Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Rechtsreform (ILR) der US‑Handelskammer (Nuclear Verdicts: An Update on Trends, Causes, and Solutions) vom 30. Mai 2024 steigt die Anzahl von Urteilen mit extrem hohen Urteilssummen (von mehr als USD 10 Mio., sog. Nuclear Verdicts) stark an.
Analysiert wurden dabei Urteile aus den Jahren 2013 bis 2022. Dabei lag der Median bei USD 21 Mio.; das durchschnittliche Nuclear Verdict betrug in diesem Zeitraum USD 89 Mio.
Im Vergleich zur letzten ILR‑Studie aus dem Jahr 2022, welche die Jahre 2010 bis 2019 zum Gegenstand hatte, haben Nuclear Verdicts zugenommen. Auch der Durchschnittswert der ausgeurteilten Summen hat sich erhöht. Er lag im letzten Berichtszeitraum noch bei USD 76 Mio.
Dabei entfielen in der aktuellen Studie zwei Drittel der gemeldeten Nuclear Verdicts auf die Bereiche Produkthaftung, Autounfälle und medizinische Haftung. Laut ILR lag der Medianwert der Urteile im Bereich Produkthaftung im Jahr 2022 bei USD 36 Mio. – der Anstieg lag dort also bei 50 % im Vergleich zum letzten Jahrzehnt. Hierunter fallen Ansprüche im Zusammenhang mit Talkumpuderprodukten, Herbiziden, Kraftfahrzeugen, Beckenbodenimplantaten, Ohrstöpseln und der Exposition gegenüber polychlorierten Biphenylen (PCBs).
Relevant ist diese Entwicklung vor allem deshalb, weil entsprechende Urteile große Auswirkungen auf viele Preise haben, so z. B. auf gängige Haushaltsprodukte bis hin zur Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Versicherungen, da die unterliegenden Unternehmen die Kosten an ihre Kunden weitergeben. Aber auch die betroffenen Branchen selbst können die Leidtragenden sein, weil durch derartige Urteile die Versicherbarkeit ihrer Produkte erschwert wird.
USA – Gericht verurteilt Johnson & Johnson wegen asbestverseuchtem Babypuder zu Millionenstrafe
Am 3. Juni 2024 hat ein Gericht in Portland, Oregon, den US‑Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson zur Zahlung von USD 60 Mio. Schadensersatz und USD 200 Mio. Punitive Damages (Strafschadensersatz) verurteilt.
Geklagt hatte eine Frau, bei der 2023 im Alter von 48 Jahren ein Mesotheliom – eine Krebserkrankung des Weichteilgewebes – diagnostiziert worden war. Für diese Erkrankung machte sie Babypuder und Deodorants von Johnson & Johnson verantwortlich, denen sie über fast 30 Jahre ausgesetzt gewesen sei. Johnson & Johnson hatte eine Fabrik in der Nähe des Wohnorts der Klägerin, in der ebenfalls Asbest verwendet worden sei, für ursächlich gehalten. Dieser These folgte das Gericht jedoch nicht.
Das Urteil ist ein weiterer Rückschlag in der über Johnson & Johnson hereingebrochenen Klagewelle von mehr als 61.000 Klagen um mutmaßlich asbesthaltiges Talkumpuder, das für Zehntausende Krebsfälle verantwortlich sein soll. Der Konzern hatte zuletzt versucht, die Ansprüche in ein separates Unternehmen auszulagern und sodann einen Insolvenzantrag nach Chapter 11 Bankruptcy Code zu stellen, um sämtliche Ansprüche über die einmalige Zahlung einer Vergleichssumme in Höhe von USD 6,48 Mrd. beizulegen. Gegen das nun gesprochenen Urteil will Johnson & Johnson Berufung einlegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten unklar. In einem Urteil aus dem Jahr 2021 wurde betroffenen Klägern USD 2,1 Mrd. zugesprochen. Im April 2024 obsiegte hingegen der Konzern in einem Prozess, in dem die Klägerin an Eierstockkrebs erkrankte; in einem (weiteren) Mesotheliom-Fall wurde Johnson & Johnson indes zur Zahlung von USD 45 Mio. verurteilt.