Gefahren bei der Herstellung
Die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien birgt verschiedene Gefahren in sich, die sich aus den verwendeten Materialien und dem Produktionsprozess ergeben.
Chemische Gefahren
Lithium: Lithium ist ein reaktives Metall und kann bei Kontakt mit Wasser oder Luft gefährliche Reaktionen auslösen.
Elektrolyte: Die in Lithium-Ionen-Batterien verwendeten Elektrolyte sind oft ätzend und können Haut- und Augenreizungen verursachen. Sie verfügen über einen niedrigen Flammpunkt und können so eine explosionsgefährliche Atmosphäre bilden.
Lösungsmittel: Die organischen Lösungsmittel, die im Rahmen der Kathodenherstellung Verwendung finden, können leicht entzündlich sein und Dämpfe entwickeln, die gesundheitsschädlich sind sowie ein explosionsfähiges Gemisch bilden können.
Kohlenstoff- und Graphitpulver können zu einem explosionsfähigen Staub-Luft-Gemisch führen, beispielsweise bei den Mischvorgängen.
Prozessgefahren
Mischanlagen: Dieser Teil des Herstellungsprozesses kann zur Bildung explosionsgefährlicher Atmosphäre durch die verwendeten Lösungsmittel bzw. durch die Bildung eines explosionsfähigen Staub-Luft-Gemischs führen. Weiterhin können Metallstäube in Kontakt mit Wasser zu Bränden führen.
Trockenöfen: Übertemperatur bei den Trockenöfen kann beispielsweise zu einem Druckanstieg und zur Freisetzung explosionsgefährlicher Atmosphäre führen.
Beschichtungsanlage: Dieser Teil des Herstellungsprozesses kann zur Bildung explosionsfähiger Atmosphäre bzw. eines Entstehungsbrands führen.
Kalendrieranlage: Oft werden die Kalendrierwalzen mit Thermoöl beheizt; Leckagen können zu Bränden führen.
Elektrolytbefüllung: Die Elektrolytflüssigkeit hat einen niedrigen Flammpunkt, sodass Brand- bzw. Explosionsgefahr durch die Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre besteht. Bei Kontakt mit Wasser kann Fluorwasserstoff (hochgiftiges Gas) entstehen, z. B. bei Leckagen an den elektrolytführenden Rohrleitungen.
Absaug- und Filteranlagen: Durch die Absaugung entstehender Lösemitteldämpfe bzw. von Metall‑/Graphitstaub besteht sowohl Explosions- als auch Brandgefahr.
Formatierungsprozess: Brandgefahr besteht vor allem aufgrund eines thermischen Durchgehens einer Zelle im Falle eines internen Fehlers oder einer Verunreinigung (Thermal Runaway).
Reifeprozess: In diesem Stadium besteht die Gefahr des Thermal Runaway einer Zelle.
Qualitäts- und Prüfprozess: In diesem Stadium besteht Brandgefahr durch einen Thermal Runaway einer Zelle durch das Versagen einer Zelle.
Generell ist festzuhalten, dass Lithium-Ionen-Batterien nach der Formatierung und den nachfolgenden Prozessschritten bei unsachgemäßer Handhabung, Lagerung, Beschädigung oder Überladung überhitzen und Feuer fangen oder sogar explodieren können. Hinzu kommen elektrische Gefahren durch die Lade- und Entladevorgänge der Batteriezellen.3
Lagergefahren
Rohstofflagerung: Manche der verwendeten Rohstoffe sind brennbare Flüssigkeiten bzw. brennbare Stäube. Deren unkontrollierte Freisetzung kann eine Brand- oder Explosionsgefahr bedingen.
Fertigwarenlagerung: Durch Verunreinigungen, Über- oder Unterladung, Beschädigungen, unsachgemäße Handhabung der Batteriezellen und nicht sachgemäße Lagerbedingungen besteht die Gefahr eines Thermal Runaways.4
Brandschutzmaßnahmen bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien
Die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien erfordert neben den üblichen, für alle Betriebsarten geltenden Präventivmaßnahmen spezielle Brandschutzmaßnahmen, insbesondere in den Bereichen, in denen ein Thermal-Runaway-Ereignis möglich ist. Besondere Aufmerksamkeit gilt deshalb allen Bereichen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Batteriezelle geladen wird.
Bis heute existieren keine zusammenhängenden Richtlinien, Regeln oder Bestimmungen für notwendige Schutzmaßnahmen bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien. Vereinzelt finden sich bei NFPA‑, VdS- bzw. FM‑Global-Richtlinien / Datasheets Hinweise für einige Bereiche, in denen mit Lithium-Ionen-Batterien umgegangen wird,5 die aber nicht alle Bereiche der Herstellung abdecken. Daneben existieren ebenfalls herstellerinterne Sicherheitsanweisungen und ‑regeln, die aber nicht öffentlich zugänglich sind.
Im Folgenden sind einige mögliche Brand- bzw. Explosionsschutzmaßnahmen aufgelistet, ohne jedoch den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Bauliche Brandschutzmaßnahmen
Bauliche Brandschutzmaßnahmen stellen das Rückgrat der Präventivmaßnahmen zur Vermeidung eines Brand‑ / Explosionsschadens oder zumindest für die Verringerung daraus resultierender Folgen dar.
- Wo immer möglich sollte auf die Verwendung brennbarer Baustoffe und Bauteile bei der Gebäudeerrichtung verzichtet werden. Dies gilt insbesondere für den Verzicht auf die Verwendung brennbarer Isolierstoffe für Wände, Decken und Dächer. Es empfiehlt sich, die Gebäudekonstruktion in einer feuerwiderstandsfähigen Bauweise auszuführen, um im Brandfall ein schnelles Versagen der Gebäudekonstruktion zu verhindern. In Bereichen mit Explosionsgefahr sollte durch bauliche Maßnahmen, z. B. Druckentlastungsöffnungen, dem Aufbau gefährlicher Explosionsdrücke im Gebäude vorgebeugt werden.
- Die einzelnen Produktionsabschnitte sollten möglichst in eigenen Komplexen (z. B. räumliche oder bauliche Komplextrennung) oder zumindest durch Brandwände, die unversetzt durch alle Geschosse mindestens 50 cm oder 1 m über die Dacheindeckung hinausgehen, getrennt werden, um einen möglichen Brand ggf. auf den betroffenen Brandabschnitt begrenzen zu können.
- Alle Öffnungen und Durchführungen durch brandschutztechnisch wirksame Wände und Decken sollten mindestens feuerbeständig abgeschottet werden, um ein Übergreifen eines Brands auf den Nachbarabschnitt zu vermeiden.
- Tankanlagen für die Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten sollten möglichst in einem eigenständigen und brandschutzwirksam getrennten Gebäude untergebracht bzw. unterirdisch angelegt werden. Für die Lagerung kleinerer Gebinde sollte, wenn eine Lagerung in einem eigenen Gebäude nicht möglich ist, ein eigener feuerbeständiger Raum eingerichtet werden.
- Sowohl das Reifelager als auch das Fertigwarenlager sollten vom Produktionsgebäude räumlich getrennt sein. Der räumliche Abstand sollte so bemessen werden, dass bei einem möglichen Brand, beispielweise ausgelöst durch einen Thermal Runaway, ein Übergreifen des Brands auf das Produktionsgebäude sicher vermieden wird. Wie ein typischer Schadenfall bereits zeigte,6 reicht eine Abtrennung durch Brandwände nicht aus, um die Brandübertragung aufgrund der besonderen Abbrandcharakteristika von Lithium-Ionen-Batterien sicher zu verhindern. Es ist auch damit zu rechnen, dass eine Brandbekämpfung eines brennenden Lithium-Ionen-Batterielagers die Feuerwehr vor große Herausforderungen stellt und eine Brandbekämpfung über Tage erforderlich macht.
- Es ist zu erwarten, dass an oder auf Gebäuden für die Herstellung und Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien Photovoltaikanlagen installiert werden. Um einen möglichen Entstehungsbrand durch eine installierte Photovoltaikanlage zu verhindern bzw. Brandfolgen zu begrenzen, sollten sie möglichst nur auf Dächern mit nicht brennbarer Dacheindeckung bzw. auf Fassaden aus nicht brennbaren Baustoffen / Bauteilen installiert werden.
Technische / betriebliche Brandschutzmaßnahmen
Die verwendeten Anlagen für die Herstellung der Batteriezellen sollten den Regeln der Technik entsprechen und über die notwendigen anlagentechnischen Sicherheitsmaßnahmen verfügen. Hierzu zählen beispielsweise Temperatur‑ / Druck- und sonstige Messsensoren, automatische Abschalt- und Not-Aus-Einrichtungen sowie Lüftungs- und Spüleinrichtungen. Rohrleitungen, in denen brennbare Flüssigkeiten transportiert werden, sollten doppelwandig ausgeführt sein, um Leckagen zu vermeiden. Für die Beheizung von Anlagen sollte möglichst auf die Verwendung von Thermoölanlagen verzichtet werden. Das Ansprechen von Messsensoren sowie das Auslösen von Sicherheitseinrichtungen sollten mit einer automatischen Alarmmeldung an eine ständig besetzte Kontrollwarte gekoppelt sein.
In Ergänzung sollten aus brandschutz- und explosionstechnischer Sicht folgende Maßnahmen in Betracht gezogen werden:
- Ausrüstung aller Betriebsbereiche mit einer automatischen stationären Brandmeldeanlage mit Alarmweiterleitung an eine ständig besetzte Stelle, z. B. Feuerwehr, um einen Entstehungsbrand schnellstmöglich entdecken und Löschmaßnahmen einleiten zu können. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Brandmeldeanlage durch eine ausgewiesene Fachfirma nach den Regeln der Technik geplant und installiert wird (z. B. VdS‑Richtlinie 2543)7. In explosionsgefährdeten Bereichen sollten entsprechende Gasdetektoren installiert werden.
- Für die jeweiligen, in den einzelnen Betriebsbereichen bestehenden Brandgefährdungen sollten an strategischen Stellen innerhalb der Produktionsstätte geeignete Feuerlöscher in ausreichender Zahl vorgehalten werden, um einen beginnenden Entstehungsbrand unverzüglich bekämpfen zu können.
- Zur Bekämpfung eines Entstehungsbrands empfiehlt sich die flächendeckende Ausrüstung des gesamten Betriebs mit einer automatischen Sprinkleranlage oder einer anderen wirksamen Feuerlöschanlage. Dabei sollte die Anlage nach den einschlägigen Richtlinien des VdS8 bzw. der FM Global9 durch eine ausgewiesene Fachfirma geplant und installiert werden. Hierbei ist es empfehlenswert, den Versicherer schon im Vorfeld der Planung miteinzubeziehen und die vorgesehenen Maßnahmen abzustimmen. Nach der Installation sollte die Anlage von einer akkreditierten Prüfstelle, z. B. Technische Prüfstelle des VdS oder FM Global, abgenommen werden, um die Mängelfreiheit der Installation zu garantieren. Eventuell festgestellte Mängel sollten unverzüglich beseitigt werden, um die Löschwirksamkeit der Anlage nicht zu gefährden. Dort, wo mit Metallpulvern / ‑stäuben umgegangen wird, sollten entsprechende Speziallöschmittel vorgehalten werden: Sie sollten eventuell vom Sprinklerschutz ausgenommen werden, da viele Metallpulver mit Wasser unter Bildung von Wasser- und Sauerstoff reagieren und so eine zusätzliche Brand- und Explosionsgefahr bedingen. Erfahrungsgemäß bieten sich für solche Bereiche spezielle Löschanlagen an, z. B. Pulverlöschanlagen mit Metallbrandpulver oder auch Inertgas-Löschanlagen. Auch der Bereich / die Anlage der Elektrolytbefüllung sollte mit einer Inertgas-Löschanlage geschützt werden. Eine besonders hohe Brandgefahr ergibt sich während des Formierungsprozesses. Dieser Bereich sollte deshalb umfänglich mit einer automatischen Sprinkleranlage geschützt werden und einen eigenen feuerbeständig abgetrennten Bereich bilden.
- Neben der Empfehlung, das Reife- und Fertigwarenlager räumlich getrennt vom Produktionsgebäude in jeweils eigenständigen Gebäuden unterzubringen, sollten die Lagerbereiche zusätzlich gemäß den Anforderungen der einschlägigen VdS‑Richtlinien bzw. FM Global Datasheets über eine adäquat ausgelegte Sprinkleranlage verfügen. Bei einem Entstehungsbrand kann die Sprinkleranlage ggf. den Brandbereich kühlen und die Feuerwehr bei ihrem Einsatz unterstützen. In den Regalen sollten durch die Anordnung von vertikalen und horizontalen Stahlblechen die Regallagerflächen in kleinere Lagerfächer unterteilt werden, um bei einem Brand zu verhindern, dass er sich schnell auf die benachbarten Lagerfächer ausweiten kann. Die einzelnen Lagerfächer sollten mit Regalsprinkler ausgerüstet werden. Von einer Blocklagerung sollte abgesehen werden. Defekte oder beschädigte Zellen und Module sollten außerhalb des Lagergebäudes in einem separaten Gebäude gelagert werden.
Organisatorische Brandschutzmaßnahmen
- Die Mitarbeiter sollten bei der Einstellung und sodann mindestens jährlich über die spezifischen Gefahren bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien, den richtigen Verhaltensweisen im Falle eines Brands sowie über den sicheren Umgang mit Lithium-Ionen-Batterien unterwiesen werden.
- Unternehmen sollten einen detaillierten Notfallplan mit eindeutigen Anweisungen für Evakuierungsverfahren und den Umgang mit Batterien im Brandfall entwickeln. Zusätzlich sollte ein Feuerwehrplan vorbereitet werden, um die Feuerwehr im Alarmierungsfall schnell und eindeutig über die zu erwartenden Gefahren, vorhandene bauliche und technische Brandschutzmaßnahmen sowie zur Verfügung stehende Löschmaßnahmen zu informieren. Der Feuerwehrplan sollte insbesondere Folgendes beinhalten:
- mögliche Feuerwehrumfahrungsmöglichkeiten sowie Kennzeichnung der Aufstellflächen für die Feuerwehr
- vorhandene Löschwasser-Entnahmemöglichkeiten
- sichere Unterbringungsmöglichkeiten für havarierte, beschädigte oder im Brandfall involvierte Lithium-Ionen-Batterien
- besondere Gefahrenbereiche, z. B. Lager mit brennbaren Flüssigkeiten, explosionsgefährdete Bereiche
Des Weiteren empfiehlt es sich, im Vorfeld einen sog. Business-Continuity-Plan10 zu entwickeln, der u. a. neben dem Verhalten im Ereignisfall notwendige Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Produktion sowie Wiederherstellung der Gebäude / Anlagen enthält. Der Plan sollte auch Maßnahmen zur Beseitigung und Entsorgung von zerstörten oder beschädigten Zellen, Modulen oder Produkten enthalten. - Weitere vorbeugende organisatorische Maßnahmen umfassen u. a.: Ordnung und Sauberkeit, regelmäßige Instandhaltung und Wartung aller Anlagen, unverzügliche Beseitigung aller festgestellten Mängel, regelmäßige Überprüfung und Wartung aller elektrischen Anlagen.
Lagerung und Handhabung
- Besondere Aufmerksamkeit sollte in den Lagerbereichen auf Sicherheitsvorschriften zum Umgang bei der Lagerung, Handhabung und Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien gelegt werden. Bereiche, die eine besondere Gefahr beinhalten, sollten entsprechend eindeutig gekennzeichnet sein.
- Die notwendigen Lagerbedingungen für die Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien sollten eingehalten werden. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Lagertemperaturen, aber auch auf das Handling der Batterien. Andere Lagergüter sind in einem getrennten Gebäude bzw. in einem eigenen Brandabschnitt zu lagern.
- Im Lager sollte ausschließlich Neuware gelagert werden. Zurückgenommene oder beschädigte Batterien sollten in einem eigenständigen Raum bzw. in speziell dafür konzipierten und zugelassenen Transport‑ / Lagerbehältern gelagert und schnellstmöglich der Verwertung zugeführt werden.
- Die einzelnen Regalfachanlagen für Lithium-Ionen-Batterien sollten durch horizontale und vertikale Blechbarrieren in kleinere Lagerfächer unterteilt werden.
- Die Lagerhöhen in Regallagern für Lithium-Ionen-Batterien sollten begrenzt sein.
- Das Batterielager sollte gemäß den Vorgaben der betreffenden VdS‑ / FM‑Global-Richtlinien durch eine wirksame und optimierte Sprinkler‑ / Sprühwasser-Brandbekämpfungsanlage vollflächig geschützt werden.
- Das Lager sollte mit einer Rauchansaug-Brandmeldetechnik sowie Gasdetektoren (Detektion von Partikeln in einem Elektrolytgas) und thermografischen Detektionsanlagen zur Überwachung der Lagertemperatur ausgerüstet werden, um bei einem Brandereignis möglichst frühzeitig zu alarmieren.
- Für die bestehenden Lagergebäude sollte sichergestellt sein, dass eine ausreichende Löschwasserversorgung vorhanden ist, die auch eine Kühlung und Brandbekämpfung über mehrere Tage ermöglicht.
- Das Batterielager sollte darüber hinaus eine Löschwasser-Rückhalteeinrichtung haben, um die bei der Kühlung und Brandbekämpfung anfallenden kontaminierten Löschwassermengen sicher aufzufangen und zu vermeiden, dass sie unkontrolliert in die Umgebung abfließen.
- Weiterführende Hinweise zur sicheren Lagerung von Lithium Ionen Batterien können dem FM Global Datasheet – 8‑1 Li‑Ion (Januar 2023)11 sowie dem VdS‑Merkblatt 3103 Lithium-Batterien12 und VdS 3856 Sprinklerschutz von Lithium-Batterien13 entnommen werden.
Abwehrender Brandschutz
- Um für die Feuerwehr eine gute und sichere Erreichbarkeit im Brandbekämpfungsfall sicherzustellen, sollten alle vorhandenen Gebäude über eine Feuerwehrumfahrung sowie ausreichende und sichere Aufstellflächen für Equipment und Fahrzeuge verfügen.
- In Absprache mit der Feuerwehr sollte eine ausreichende Löschwasserversorgung vorgesehen werden. Löschwasser-Entnahmestellen sollten deutlich gekennzeichnet und ungefährdet durch die Feuerwehr zugänglich sein.
- Die Feuerwehr sollte die Örtlichkeiten und den Betrieb möglichst im Vorfeld eines Brandereignisses kennen. Hier empfiehlt es sich, frühzeitig mit der zuständigen Feuerwehr Kontakt aufzunehmen und sie zu einer Übung auf dem Unternehmensgelände einzuladen, um sie mit den speziellen Risikosituationen des Unternehmens vertraut zu machen. Die Übung sollte regelmäßig, beispielsweise jährlich, wiederholt werden.
Explosionsmaßnahmen
Neben dem Brandrisiko besteht bei der Herstellung in Lithium-Ionen-Batterieunternehmen eine latente Explosionsgefahr, z. B. durch die Verwendung von Lösemitteln bzw. der Verwendung von Graphit‑ / Metallpulver. Um die möglichen Auswirkungen begrenzt zu halten oder sogar eine Explosionsgefahr zu vermeiden, sollten die einschlägigen Maßnahmen des primären, sekundären und tertiären Explosionsschutzes beachtet und soweit erforderlich umgesetzt werden. Entsprechende Maßnahmen (z. B. Druckentlastung, Explosionsunterdrückung, explosionsgeschützte elektrische Anlagen) werden in den Explosionsschutzregeln des DGUV14 bzw. FM Global Datasheets 7‑0 und 7‑1715 beschrieben.15
Hinweise für das Underwriting
Die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien ist eine relativ junge Technologie, sodass es kaum Erfahrungswerte gibt, was das Underwriting in der Sachversicherung vor besondere Herausforderungen stellt. Behördliche bzw. gesetzliche Anforderungen bestehen ebenfalls – wenn überhaupt – nur in Teilbereichen. Daher ist aus Sicht der Sachversicherung keine eindeutige Handlungsanweisung bekannt. Dennoch können für die Beurteilung des Sachversicherungsrisikos in Ergänzung zu den allgemeinen Underwriting-Empfehlungen einige Hinweise gegeben werden, die für die Risikobewertung eines Lithium-Ionen-Batterieherstellers von Bedeutung sein können.
Bauliche Situation
- Wurden die Gebäude mit nicht brennbaren Baustoffen und Bauteilen errichtet? Besonderes Augenmerk sollte auf die Isolierung der Wände und Dächer gelegt werden.
- Ist eine Photovoltaikanlage auf oder an dem Gebäude installiert, wurde sie von einer Fachfirma errichtet und von einem Sachverständigen abgenommen?
- Sind die Produktionsgebäude von dem Reife- sowie dem Fertigwarenlager brandschutztechnisch getrennt, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem Großbrand der Brand nicht auf die anderen Gebäude übergreifen kann?
- Sind die einzelnen Prozessabschnitte bei der Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien, in denen mit brennbaren Stoffen umgegangen wird bzw. die Zellen erstmalig geladen werden, durch Brandwände getrennt, die unversetzt durch alle Geschosse mind. 50 cm über das Dach des höheren Gebäudes hinausführen, und sind deren Öffnungen feuerbeständig geschützt?
Betriebsprozess
- Wie sind die Betriebszeiten des Unternehmens? Gibt es Betriebsruhezeiten?
- Sind Reinräume im Betriebsprozess vorhanden und was ist ihre Klassifizierung? Beispielhaft findet die Elektrodenfertigung unter Reinraumbedingungen statt, da Fremdpartikel in der Beschichtung im späteren Prozess nicht mehr durch Reinigungsmethoden (z. B. Absaugen) zu entfernen sind. Insofern kann schon ein Entstehungsbrand zu einem erheblichen Folgeschaden führen, da die Reinraumbedingungen nicht mehr gegeben sind.
- Wird die Zellassemblierung unter trockenen Bedingungen durchgeführt? Wasser innerhalb der Zelle führt u. a. zu starken Qualitätseinbußen (Lebensdauer) und zu einem Sicherheitsrisiko durch die Bildung von Flusssäure.
- Sind im Betrieb Thermoölanlagen vorhanden? Ist die Heizquelle in einem eigenen feuerbeständigen Raum untergebracht und sind die notwendigen Rohrleitungen doppelwandig ausgeführt? Auf welche Temperatur ist das Thermoöl aufgeheizt und wie ist der Flammpunkt des verwendeten Thermoöls?
- Wie und wo werden brennbare Stoffe (Gase, Metallpulver, brennbare Flüssigkeiten) gelagert und welche präventiven Brandschutzmaßnahmen sind getroffen?
- Werden zurückgesandte oder beschädigte Batteriezellen außerhalb des Fertigwarenlagers in einem eigenen feuerbeständig geschützten Raum bzw. in einer speziellen dafür zugelassenen Transport‑ / Lagerbox gelagert?
- Wie erfolgt die Instandhaltung und Wartung? Werden festgestellte Mängel unverzüglich behoben (z. B. programmierte Instandhaltung)?
Besondere Brandschutzmaßnahmen
- Welche baulichen Maßnahmen sind vorhanden, um bei einem Entstehungsbrand zu verhindern, dass sich der Brand unkontrolliert ausbreitet?
- Ist der Betrieb flächendeckend mit einer automatischen Brandmeldeanlage ausgerüstet? Besteht eine Alarmweiterleitung an eine ständig besetzte Stelle? Nach welchen Regeln / Richtlinien wurde die Anlage geplant und errichtet und liegt ein Installationsattest vor? Welche Art von Brandmeldetechnik wurde verwendet? Besonders bewährt hat sich die Rauchansaugetechnik. Sind, wo notwendig, Gasdetektoren ergänzend installiert?
- Ist der Betrieb flächendeckend mit einer stationären automatischen Brandbekämpfungsanlage ausgerüstet, beispielsweise Sprinkler‑ / Sprühwasserlöschanlage? Nach welchem Regelwerk wurde die jeweilige Anlage geplant und eingebaut? Besteht darüber ein Installationstest und werden die Anlagen regelmäßig (z. B. jährlich) von einem Sachverständigen revidiert? Liegen entsprechende Revisionszeugnisse vor? Wurden eventuell festgestellte Mängel beseitigt oder sind sie noch nicht behoben?
- Sind in Bereichen, in denen eine Sprinkler‑ / Sprühwasserlöschanlage kontraproduktiv wäre, entsprechende Kompensationsmaßnahmen, z. B. Gaslöschanlagen, installiert?
- Welche Feuerwehr ist für den Betrieb zuständig und verfügt sie über entsprechende Ortskenntnisse (z. B. durch regelmäßige Übungen, Betriebsbegehungen)?
- Bestehen Feuerwehrumfahrungswege um die Gebäude und ausreichend sichere Aufstellflächen für das Equipment und die Fahrzeuge der Feuerwehr?
- Wie ist die Löschwasserversorgung gesichert und welche Mengen stehen zur Verfügung? Insbesondere bei Brandereignissen, ausgelöst durch einen Thermal Runaway, ist ggf. damit zu rechnen, dass eine tagelange, wenn nicht sogar wochenlange Kühlung und Brandbekämpfung notwendig werden.
- Bestehen Löschwasser-Auffangmöglichkeiten, da damit zu rechnen ist, dass bei einem unkontrollierten Abfließen des Lösch- bzw. Kühlwassers eine Kontaminierung der Umgebung erfolgt?
- Erfolgt eine regelmäßige Schulung / Unterweisung über die speziellen Gefahren bei der Herstellung und Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien sowie der Handhabung insbesondere von geladenen Batterien?
- Besteht für den Betrieb ein Business-Continuity-Plan und wird er regelmäßig aktualisiert sowie regelmäßig im Rahmen einer Notfallübung getestet?
Versicherungstechnische Fragestellungen
- Welches Wording liegt dem Versicherungsvertrag zugrunde (z. B. Standard-Wording oder Manuskript-Wording) und was ist der Versicherungsumfang (z. B. benannte Gefahren, Allgefahrendeckung oder Ausschnittsdeckung, Maschinenbruch, Mehrkostenvereinbarungen sowie vereinbarte Zusatzdeckungen)?
- Besteht eine Aufteilung der Versicherungssumme auf Gebäude, Einrichtung, Vorräte und Betriebsunterbrechung? Idealerweise wäre eine Aufteilung der Versicherungssumme auf die einzelnen Gebäude vereinbart, denn dies erleichtert eine eventuelle Höchstschadenschätzung.
- Welche Versicherungswerte entfallen auf die Lagerbereiche (jährlicher Durchschnittswert, maximaler Höchstwert) und wie ist der Lagerumschlagturnus?
- Was ist die Entschädigungsbasis der gelagerten Ware: Verkaufspreis, Großhandelspreis, Herstellungskosten, Festpreis / vereinbarter Preis, inkl. oder exkl. Steuern?
- Sind Rück- und Wechselwirkungen gemäß des Versicherungsvertrags versichert und wie hoch sind die dafür versicherten Haftungssummen? Welche weiteren Erstrisikopositionen sind im Versicherungsvertrag versichert (z. B. Dekontaminationskosten, Feuerlöschkosten, Aufräumkosten, Vorsorgesummen, Mehrkosten) und wie hoch sind diese?
- Besteht eine Unterversicherungsregelung?
- Welche Haftzeit liegt der Betriebsunterbrechungsversicherung zugrunde und ist sie in Bezug auf das Betriebsunterbrechungsexposure ausreichend?
- Welche Selbstbehalte sowie eventuelle Höchstentschädigungen sind vereinbart?
Versicherungsexposure
- Liegt ein aktueller versicherungstechnischer Besichtigungsbericht vor, der alle notwendigen Aspekte für das Underwriting und die Zeichnungsentscheidung abdeckt?
- Ist die verwendete Höchstschadendefinition / ‑szenario des Besichtigers / Brokers / Versicherers bekannt und wurde durch den Besichtiger / Risikoingenieur ein realistischer maximal möglicher Schaden (MFL) ermittelt, aufgeteilt in Sach- und Betriebsunterbrechung, Kosten und Löhne?
- Bestehen eventuell Kumule aus weiteren bestehen Versicherungsverträgen (z. B. Haftpflicht‑, Umwelthaftpflicht‑, Elektronik‑, Maschinenbruchpolicen bzw. aus gezeichneten Versicherungsverträgen umliegender Risiken)?
- Wie ist die Schadenhistorie, welche Art von Schäden sind aufgetreten und welche Entschädigungssummen wurden gezahlt?
- Mit welchen Wiederbeschaffungszeiten von Gebäuden und/oder Anlagen und mit welchen Betriebsunterbrechungszeiten wären nach einem Brandfall zu rechnen (Totalschaden eines Gebäudes, Totalschaden einer betriebswichtigen Anlage)? Sind besondere Betriebsgenehmigungen für den Betriebsprozess notwendig? Welche „Bottlenecks“ sind im Betrieb vorhanden und welche möglichen Alternativen / Ersatzmöglichkeiten bestehen?
- Welche Naturgefahrenexponierung ist gegeben (z. B. Überschwemmung, Erdbeben, Sturm, Waldbrand)?
Zusammenfassung
Die Herstellung, Lagerung und Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien stellt eine neue Herausforderung an das Underwriting für den Sachversicherer dar. Da die Akkumulatoren / Batterietechnologie immer weiterentwickelt werden, entstehen erwartungsgemäß weitere bzw. abweichende Risiken. Versicherer sollten daher die Entwicklung aufmerksam verfolgen und das Underwriting für derartige Risiken regelmäßig überprüfen und ggf. anpassen.
Zur Ansicht der Literaturhinweise sowie der Endnoten öffnen Sie bitte die PDF‑Datei.